Idiomatische Orbitaentzündung (Pseudotumor orbitae)

Idiopatische Orbitaentzündung

Was ist die idiopathische Orbitaentzündung?

Bei dieser Erkrankung des Auges handelt es sich um eine entzündliche Veränderung verschiedener Gewebestrukturen der Augenhöhle (Orbita). Idiopathisch heisst, es lässt sich keine Ursache der oft unspezifischen Entzündung feststellen. Störungen im Immunsystem oder Traumata werden zurzeit als mögliche Auslöser diskutiert.

Häufige gleichbedeutende Bezeichnungen sind auch „idiopathische entzündliche Orbitopathie“, „idiopathische orbitale Entzündung“ oder „Pseudotumor orbitae“ (Scheintumor der Augenhöhle), wobei letztere weniger treffend ist.

In manchen Fällen liegt eine systemische, das heisst den gesamten Organismus betreffende entzündliche Störung vor, beispielsweise der Gefässe. In anderen ist nur das Auge betroffen, teils diffus, teils auch nur lokal begrenzt einzelne Bereiche. Die idiopathische Orbitaentzündung ist in aller Regel gutartig, nicht übertragbar und befällt etwas häufiger Frauen, Kinder sehr selten.

Insgesamt ist der Pseudotumor orbitae ein sehr uneinheitliches Krankheitsbild. Viele weitere Erkrankungen können ähnliche Symptome hervorrufen. Der Augenarzt muss daher entzündliche Beschwerden um den Augapfel herum abklären und schwerwiegende Augen- oder Grunderkrankungen ausschliessen. So kann durchaus eine schilddrüsenbedingteAugenveränderung oder ein orbitales Lymphom (ein Immunzellen-Krebs) dahinterstehen. Eine idiopathische Orbitaentzündung steht nach diesen beiden an dritter Stelle der häufigsten Augenhöhlenkrankheiten.

Symptome eines Pseudotumor orbitae – was Patienten spüren

In der Mehrheit der Fälle (65 Prozent) treten die Entzündungserscheinungen plötzlich (akut) innerhalb von Stunden bis Tagen auf. Sehr viel weniger Patienten berichten von einer langsameren oder sogar langwierigen (chronischen) Entwicklung. Bei 9 von 10 Erwachsenen findet das Geschehen an nur einem Auge, bei Kindern oft an beiden statt. Dabei klagen sie subjektiv über:

  • starke Augenschmerzen (70 Prozent Häufigkeit)
  • Sehstörungen wie Doppelbilder, verringertes Sehvermögen
  • Druck- und Fremdkörpergefühl
  • Lichtempfindlichkeit
  • erhöhten Tränenfluss
  • Bewegungseinschränkung des Auges


Die Schmerzen stehen dabei im Vordergrund und können sehr stark sein, ohne dass entsprechende Hinweise von aussen erkennbar sein müssen.

Klinische Zeichen – was äusserlich zu erkennen ist

Äusserlich sichtbare Merkmale, die auf eine idiopathische orbitale Entzündung hinweisen:

  • geschwollene und gerötete Ober- und Unterlider
  • schmerzhaft entzündete Lederhaut, der weissen Augenhaut (Skleritis)
  • hervortretender Augapfel
  • stark gerötete Bindehaut (Konjunktivitis)
  • geschwollene Bindehaut (Chemosis)


Häufig sind im Zuge eines Pseudotumor orbitae folgende Funktionsteile von Entzündungen betroffen:

  • Tränendrüse (Dacryoadenitis)
  • mittlere Augenhaut (Uveitis)
  • Augenmuskeln (Myositis)


Seltener sind auch Fettgewebe, Sehnerv oder weitere Strukturen im Bereich der Augenhöhle beteiligt.

Differentialdiagnosen – welche Ursachen noch möglich sind

Hinter dem klinischen Bild einer Augenhöhlenentzündung können sich viele andere Erkrankungen der Orbita oder des gesamten Organismus verbergen. Und natürlich steht dann die Behandlung dieser diagnostizierten Krankheiten im Vordergrund.

Darunter fallen sehr unterschiedlich zu therapierende systemisch-entzündliche, grösstenteils chronische und häufig auch autoimmunologische Krankheiten sowie Infektionen und abnorme Gewebeneubildungen (Neoplasien, Tumoren) gutartigen oder bösartigen Charakters.

Zur Diagnose wird der Augenarzt daher nach dem Ausschlussprinzip vorgehen, einer Differentialdiagnose. Scheiden die Alternativen aus, handelt es sich um eine idiopathische Orbitaentzündung. Denn leider sind weder die genaue Ursache, noch spezifische Krankheitszeichen bekannt.

Endokrine Orbitopathie

Dies ist eine hormonell bedingte Störung als Folge einer Schilddrüsenerkrankung. Meist handelt es sich um Morbus Basedow (Autoimmunkrankheit mit Schilddrüsenüberfunktion), selten um eine Hashimoto-Thyreoiditis (chronische Schilddrüsenentzündung). Die Mehrzahl von Augenhöhlenveränderungen lassen sich darauf zurückführen. Typischerweise spüren betroffene Patienten jedoch keine Augenschmerzen.

Orbitale Infektionen

Bakterielle Enzündungen wie eine orbitale Cellulitis (Orbitaphlegmone) oder ein orbitaler Abszess (Flüssigkeitsansammlung) stehen oft im Zusammenhang mit einer Nasennebenhöhlen- (Sinusitis) oder Zahnentzündung, seltener mit einer Verletzung. Gegen die Bakterieninfektion setzt der Arzt ein Antibiotikum ein. Bisweilen ist ein operativer Eingriff nötig, um den Infektionsherd zu entfernen. So ist es nichts Ungewöhnliches, wenn der Augenarzt einen HNO- oder Zahnarzt hinzuzieht.

Autoimmunologische und andere Entzündungsprozesse

  • Granulomatose Entzündungen sind chronische Entzündungen im gesamten Körper, die sich durch knötchenförmige Ansammlungen (Granulome) bestimmter Immunzellen auszeichnen. Die Augenhöhle können betreffen: Zum einen die Sarkoidose (Morbus Boeck) mit Befall des Bindegewebes verschiedener Organsysteme. Zum anderen die Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener) als rheumatische Erkrankung, welche Atemwege und Blutgefässe befällt.
  • IgG4-assoziierte Orbitopathie. Diese immunologische Systemerkrankung geht mit erhöhtem Immunglobulin-G4-Serumspiegel einher und wirkt sich auf die Augenhöhle aus.
  • Polyartheriitis nodosa ist eine entzündliche Schädigung der Arterien des gesamten Körpers.
  • Das Sjögren-Syndrom umfasst als chronische Autoimmunerkrankung Entzündungen von Speichel- und Tränendrüsen.
  • Rheumatoide Arthritis, auch chronische Polyarthritis oder einfach „Rheuma“ genannt, bezeichnet die autoimmunologisch bedingte chronisch-entzündliche Schädigung von Gelenken.
  • Morbus Crohn, eine chronisch-entzündliche Erkrankung der hinteren Darmabschnitte.

Tumorneuentwicklungen und andere Fehlbildungen

  • Primäre Orbitatumoren sind von der Augenhöhle ausgehende Geschwulste, die gutartig sein können, wie eine seit Kindheit ausgebildete harmlose Dermoidzyste (Zyste aus eingeschlossenem Hautgewebe) oder ein Hämangiom (Gefässtumor) zum Beispiel. Bösartige Augenhöhlentumoren sind das schnell wachsende Rhabdomyosarkom (aus Muskulatur hervorgehender Weichteiltumor) bei Kindern oder lymphoproliferative Erkrankungen. Letztere sind charakterisiert durch starke Vermehrung der Lymphozyten, den in Blut und Lymphsystem zirkulierenden Zellen des Immunsystems. Darunter fallen hauptsächlich maligne Lymphome, verschiedene Formen des Blut-, Lymphknoten- und Knochenmarkkrebses.
  • Ein nekrotisierendes Aderhautmelanom ist ein dunkel pigmentierter bösartiger Tumor der Aderhaut (Chorioidea), dem in der Augenhöhle liegenden Teil der mittleren Augenhaut (Uvea). Es lässt gesunde Strukturen absterben (nekrotisieren) und macht sich meist zuerst durch Sehverschlechterung bemerkbar.
  • Metastasen anderer Krebsherde im Körper können auch in die Augenhöhle ausstreuen.
  • Eine Carotis-Sinus-cavernosus-Fistel ist eine Gefässfehlbildung zwischen einer Kopf-Hauptarterie und venösen Hirnversorgungsbereichen

Andere Ursachen

  • leckende Dermoidzyste
  • spontane Orbitablutung
  • Amyloidose bezeichnet eine Gruppe von Erkrankungen durch Proteinablagerungen in verschiedenen Geweben

Diagnostik

Zur Diagnose einer idiopathische Orbitaentzündung muss der Arzt alle anderen fraglichen Grunderkrankungen ausschliessen. Die Untersuchungen fallen daher durchaus umfangreich aus, denn nicht immer ist die Abgrenzung einfach.
Zunächst erfolgt eine sorgfältige Anamnese, eine detaillierte Befragung des Patienten.

Anschliessend führt der Augenarzt eine ophthalmologische Untersuchung durch: Sehschärfe (Visus), Beweglichkeit des Auges, Pupillenmotorik, äusserliche Begutachtung der Lider und der Augenhöhle, der vorderen und hinteren Augenabschnitte mit der Spaltlampe.

Laboruntersuchungen wichtiger Blutwerte geben Aufschluss über mögliche Ursachen: unter anderem Entzündungsmarker, Schilddrüsenhormonspiegel, eine Reihe spezifischer Antikörper und Autoantikörper.

Bildgebende Verfahren stellen die betroffenen Strukturen dar und komplettieren die Befunde für eine Ausschlussdiagnostik. An erster Stelle steht hierfür die MRT (Magnetresonanztomografie). Teils kommen auch CT (Computertomographie) oder Sonographie (Ultraschall) zur Anwendung.

Bei schweren, unklaren Verläufen oder mehrfachen Rückfällen zieht der Arzt auch eine Liquorpunktion von Rückenmarksflüssigkeit oder für mikroskopische Untersuchungen eine Biopsie (Gewebeprobenahme) in Betracht. Nicht selten konsultiert der Ophthalmologe Kollegen weiterer Fachdisziplinen.

Behandlung der idiomatischen Orbitaentzündung

Die Therapie der idiopathischen Orbitaentzündung richtet sich nach der Ausprägung der Symptome und folgt meist einem Stufenschema.

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAID): Schmerz- und Rheuma-Medikamente

Milde Formen lassen sich recht gut über bis zu 3 Wochen mit NSAID wie beispielsweise Ibuprofen behandeln. Diese klassischen Substanzen wirken sowohl Entzündungen als auch Schmerzen entgegen.

Kortikosteroide: Glukokortikoide („Kortison“)

Die Regeltherapie beginnt sofort mit einer Glukokortikoidgabe in Tablettenform, Prednisolon hat sich dazu bewährt. Die allermeisten Entzündungen sprechen sehr gut an und gehen schnell zurück. Die Anfangsdosis wird daraufhin langsam über mehrere Wochen reduziert.

Strahlentherapie

Alternativ oder unterstützend zur Steroidanwendung kann auch eine äussere Bestrahlung Erfolge zeigen, bisweilen führen erst mehrere Zyklen zur Besserung.

Immunsuppressiva

Kommen die bisher genannten Optionen nicht in Betracht oder zeigen nicht die gewünschte Wirkung, kann der Arzt Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems verordnen. Dies sind Wirkstoffe aus der Krebs- oder Autoimmuntherapie mit unterschiedlichen Ansatzpunkten:

  • monoklonale Antikörper Infliximab, Adalimumab, Rituximab oder
  • Zytostatika wie Methotrexat, Mycophenolat-Mofetil, Azathioprin, Cyclophosphamid, Chlorambucil oder
  • Calcineurin-Hemmer Ciclosporin.

Chirurgische Therapie

Bei einigen lokal begrenzten Formen ist es möglich, die entzündeten Strukturen operativ zu entfernen – unter Schonung des Auges. Nur bei äusserst hartnäckiger und schwerer Ausprägung mit unrettbarer Erblindung und extremen, nicht zu lindernden Schmerzen, muss der Operateur das gesamte Weichteilgewebe der Augenhöhle entnehmen (Exenteratio Orbitae).

Prognose

Die gute Nachricht: Die Mehrheit der Patienten wird nach einer Steroidtherapie beschwerdefrei. Dennoch kann es nach einer zunächst erfolgreichen Behandlung zu Rückfällen kommen. Betroffene verringern in jedem Fall das Risiko bleibender Schäden, indem sie frühzeitig den Augenarzt aufsuchen. Bei der Abklärung von Augenentzündungen können Sie auf unsere spezialisierte Augenarztpraxis bei Zürich zählen. Wir unterstützen Sie mit unserem Fachwissen.

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